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Selbstgespräch

Klage

Lieder von einer Insel

Klage

Anruf

La mort des artistes

Pleuro. Da schwand mir das süße Leben,

Traurigkeit

L'epitaphe Villon

Klein Sterbelied

IN WEITE Ferne gehen Hügel: Menschenköpfe

Wahrheit

Der Tod wird kommen und deine Augen haben

 

Sonnet XXX

Lied (ca. 600 v. Christus)

Sur une morte

Abschied vom Grabe des Fang Guan

Im Alter

Schließe mir die Augen beide

Mutterns Hände

Wie dunkel sind deine Schläfen

Ich kann es nicht vergessen  XXXVII.

WIE KANN ich die Tote, die Frau nun noch loben?

In den Büchern sterben

Des Todes Boten

Vergeblich

Ode an die Wiedererstandenen

Was dann?

SONNET LXVI

Was sind wir Menschen doch

Chanson d‘automne

Kaleidoskop

Inschrift auf einem nicht abgeholten Grabstein

Lebenslauf

Sonnet XI

Ich war einmal ein Kind. Genau wie ihr

Ausgang

Kleiner Ring

An sich selbst

Versöhnung

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

Antres, & vous fontaines

Der Mensch

Hälfte des Lebens 

Le cimetière marin

Anne

Les pas

La fileuse


Selbstgespräch

(Monolog der Hekuba, aus den „Troerinnen“)

 

Hekuba:

Steh auf.

Hoch den Kopf.

Widersetze dich dem Wunsch

liegen zu bleiben und

übe dich in Geduld.

Wenn ich nur wüßte

wozu...

Troja ist nicht mehr.

Und Fürstin von Troja - bist du nicht mehr.

Traurige Erinnerungen nützen nicht,

übertrifft doch die Gegenwart alles gewesene Unglück.

Segle mit dem Schicksalswind, nur

ein Tor schwimmt gegen den Strom.

 - ich treibe. -

Was faselst du da?

Gibt es menschliches Leiden, das

ich noch nicht kenne?

Was,

kann mir noch geraubt werden?

Heimat, Kinder und Mann

Recht und Würde - alles ist verloren.

Verbrannt, ermordet, geschändet.

Die Töchter entrechtet als

Spielzeug machttrunkener Griechen.

 

Ich kann nicht aufhören, muß mich wehren.

(...)

Wer hört mein Schreien,

und wer mein Schweigen?

Ich bin nur noch

klagender Ruf.

Versteinere

wie der Grund,

auf dem du liegst.

Tu was du willst,

die Schmerzen bleiben.

Taub sind meine Glieder.

Doch ich bin kein Stein.

Es hämmern die Schläfen,

es pocht der Kopf.

Die Wirbel des geschundenen Rückens,

könnt ich sie strecken

und dehnen -

wo such ich Trost?

 

Ich rede zuviel,

schweigen ist nicht besser,

als reden.

Und weinen?

Ich habe keine Tränen mehr.

Niemand wird unshelfen.

Das End vor Augen

habe ich noch meine Stimme.

Hört mich wer?

Ihr schlanken Schiffe,

wohin zogt ihr vor zehn Jahren?

Mit kräftigen Rudern und geblähten Segeln

pflügten eure Kiele das purpurfarbene Meer

getrieben vom Racheschwur

und der Sehnsucht eines Mannes

nach seiner entlaufenen Frau

stießen eure gebogenen Schnäbel

in die Meeresbucht Trojas, bissen sich fest

und brachten den Tod.

 

Helena war der Name dieser Frau,

er bedeutet jetzt Krieg.

Das ist der Grund,

warum diese Stadt in Trümmern liegt,

der Grund,

warum ein ganzes Volk sterben mußte,

der Grund,

warum diese Frauen hier zu

lebenden Toten wurden

und ich

verwüstet und kahlgeschoren

als Kriegsgefangene unter ihnen.

Das alles um Eures Ruhmes willen?

 

Auf ihr Frauen,

Witwen, Verlobte der Toten und Mädchen ohne Zukunft

wir wollen nicht schweigen.

 

Klagt!

Lobt nicht länger

unsere Götter.

 

Euripides (Übertragung: Emmanuel Bohn)


Klage

 

Uns ist kein Sein vergönnt. Wir sind nur Strom,

Wir fließen willig allen Formen ein:

Dem Tag, der Nacht, der Höhle und dem Dom,

Wir gehn hindurch, uns treibt der Durst nach Sein.

 

So füllen Form um Form wir ohne Rast,

Und keine wird zur Heimat uns, zum Glück, zur Not,

Stets sind wir unterwegs, stets sind wir Gast,

Uns ruft nicht Feld noch Pflug, uns wächst kein Brot.

 

Wir wissen nicht, wie Gott es mit uns meint,

Er spielt mit uns, dem Ton in seiner Hand,

Der stumm und bildsam ist, nicht lacht noch weint,

Der wohl geknetet wird, doch nie gebrannt.

 

Einmal zu Stein erstarren! Einmal dauern!

Danach ist unsre Sehnsucht ewig rege,

Und bleibt doch ewig nur ein banges Schauern,

Und wird doch nie zur Rast auf unsrem Wege.

 

Hermann Hesse


Lieder von einer Insel

(1954)

...

Wenn einer fortgeht, muß er den Hut

mit den Muscheln, die er sommerüber

gesammelt hat, ins Meer werfen

und fahren mit wehendem Haar,

er muß den Tisch, den er seiner Liebe

deckte, ins Meer stürzen,

er muß den Rest des Weins,

der im Glas blieb, ins Meer schütten,

er muß den Fischen sein Brot geben

und einen Tropfen Blut ins Meer mischen,

er muß sein Messer gut in die Wellen treiben

und seinen Schuh versenken,

Herz, Anker und Kreuz,

und fahren mit wehendem Haar!

Dann wird er wiederkommen.

Wann?

Frag nicht.

 

Ingeborg Bachmann


Klage

Er war mein Nord, mein Süd,

mein Ost und West,

Meine Arbeitswoche

und mein Sonntagsfest,

Mein Gespräch, mein Lied,

mein Tag, meine Nacht,

Ich dachte, Liebe währet ewig:

Falsch gedacht.

 

Die Sterne sind jetzt unerwünscht,

löscht jeden aus davon,

Verhüllt auch den Mon

und nieder reißt die Sonn',

Fegt die Wälder zusammen

und gießt aus den Ozean,

Weil nun nichts mehr

je wieder gut werden kann.«

 

Haltet alle Uhren an,

laßt das Telefon abstellen,

Hindert den Hund daran,

den saftigen Knochen anzubellen,

Klaviere sollen schweigen,

und mit gedämpftem Trommelschlag,

Laßt die Trauernden nun kommen,

tragt heraus den Sarg.

 

Laßt Flugzeuge kreisen,

klagend im Abendrot,

An den Himmel schreibend

die Botschaft.  Er ist tot;

Laßt um die weißen Hälse der Tauben

Kreppschleifen schlagen

Und Verkehrspolizei schwarze

Baumwollhandschuh' tragen.

 

W.H. Auden


Anruf

(vor 1958)

 

Die Zeit ist ausgelöscht

o Herr

mein Wort das bitter kam

und finster

Herr

zu finster für die Erde

ausgelöscht ist meine Qual

mein Hunger ausgetrunken

und mein Herz in Nächten

die zerpflügt sind

mit dem Pflug der Lieder

die Zeit ist ohne End'

doch voll der Träume Not

die mich nicht will

auf meinem Stein des Sterbens.

 

Thomas Bernhard


La mort des artistes

 

Combien faut-il de fois secouer mes grelots

Et baiser ton front bas, morne Caricature?

Pour piquer dans le but, de mystique nature,

Combien, ô mon carquois, perdre javelots?

 

Nous userons notre âme en de subtils complots,

Et nous démolirons mainte lourde armature,

Avant de contempler la grande Créature

Dont l'infernal désir nous remplit de sanglots

 

Il en est qui jamais n'ont connu leur Idole,

Et ces sculpteurs damnés et marqués d'un affront,

Qui vont se martelant la poitrine et le front,

 

N'ont qu'un espoir, étrange et sombre Capitole!

C'est que la Mort, planant comme un soleil nouveau,

Fera s'épanouir les fleurs de leur cerveau!

 

Charles Baudelaire

Der Tod der Künstler

 

Wie lange werd ich fröstelnd beben müssen

Und, spottgestalt! die flache stirn dir küssen,

Wie viele pfeile fliehn aus meinen köchern

Die mystisch ferne scheibe zu durchlöchern?

 

Wir zehren unsre kraft in spitzen plänen,

Wir werden manche harte wehr zerhauen

Eh wir die große kreatur beschauen –

Ihr höllisches gelüst erzwingt uns tränen.

 

So manche fanden niemals ihr Idol,

verwünschte bildner die die schande geißelt

Und deren hand dir haupt und busen meißelt

 

Mit einer hoffnung, düstres kapitol,

Daß einst der Tod, ein neues tag-gestirn,

Die blumen sprießen läßt in ihrem hirn.

 

Übertragung: Stefan George


Pleuro. Da schwand mir das süße Leben,

Ich merkte, die Kraft sank,

O! Beim letzten Hauch elend brach ich in Tränen aus,

So holde Blüte lassend.

Sie sagen, der furchtbare

Sohn Amphitryons nur diesmal

Habe die Wimper benetzt, des leidgeprüften

Mannes Verhängnis bejammernd.

Auch Ihm im Wechsel

Sagt' er: “Der Menschen Bestes wäre nie geborn zu sein,

 

Nie Helios' Licht erblickt zu

Haben. Da aber kein Vorteil ist

Dies zu beklagen,

Muß man bereden, was zu erfüllen. -

Gibt es in den Gemächern

Des Aresfreunds Oineus

Eine Jungfrau noch von den Töchtern,

Dir an Gestalt gleich?

Die will zur heitern Gemahlin ich gern haben.”

Ihm der tapfere

Schatten erwiderte Meleagros':

“Ich ließ zurück mit blühendem Nacken

Im Hause Deianeira,

Unkundig noch der goldenen

Kypris, der menschenbezaubernden.”

 

Weißarmige Kalliope,

Halte den wohlgefügten Wagen

Hier an. Auf Kronos' Sohn

Sei gesungen, den Olympischen, ersten der Götter,

Den unermüdlich strömenden

Alpheus, des Pelops Macht

Und Pisa, von wo der berühmte,

Auf Füßen siegende, im Lauf

Kam Pherenikos zum getürmten Syrakus,

Dem Hieron bringend

Das Glücksreis.

Man muß der Wahrheit zuliebe

Loben, den Neid mit beiden

Händen fernhaltend,

Wenn einer Glück hat der Sterblichen.

 

Der Boiotische Mann so sprach, der süßen

Diener, Hesiodos,

Der Musen: Wen die Unsterblichen ehren, dem

Auch der Sterblichen Ruhm folgt. -

Ich glaube gewiß,

Daß des Pfades rühmende Zunge zu Recht

Sang dem Hieron. Daher nämlich

Die Wurzeln sprießen des Glücks;

Die möge der Allvater

Zeus unerschütterlich in Frieden beschirmen.

 

Bakchylides von Keos übertragen von Curt Hohoff


Traurigkeit

Die mir noch gestern glühten,

Sind heut dem Tod geweiht,

Blüten fallen um Blüten

Vom Baum der Traurigkeit.

 

Ich seh sie fallen, fallen

Wie Schnee auf meinen Pfad,

Die Schritte nicht mehr hallen,

Das lange Schweigen naht.

 

Der Himmel hat nicht Sterne,

Das Herz nicht Liebe mehr,

Es schweigt die graue Ferne,

Die Welt ward alt und leer.

 

Wer kann sein Herz behüten

In dieser bösen Zeit?

Es fallen Blüten um Blüten

Vom Baum der Traurigkeit.

 

Hermann Hesse


L'epitaphe Villon

 

Freres humains qui après nous vivez,

N'ayez les cuers contre nous endurcis,

Car, se pitié de nous povres avez,

Dieu en aura plus tost de vous mercis.

Vous nous voiez cy attachez cinq, six:

Quant de la chair, que trop avons nourrie,

Elle est pieça devorée et pourrie,

Et nous, les os, devenons cendre et pouldre.

De nostre mal personne ne s'en rie;

Mais priez Dieu que tous nous vueille absouldre!

 

Se freres vous clamons, pas n'en devez

Avoir desdaing, quoy que fusmes occis

Par justice. Toutesfois, vous sçavez

Que tous hommes , n‘ont pas bon sens rassi;

Excusez nous, puis que sommes transsis,

Envers le fils de la Vierge Marie,

Que sa grace ne soit pour nous tarie,

Nous preservant de l‘ifernale fouldre.

Nous sommes mors, ame ne nous harie;

Mais prie Dieu que tous nous vueille absouldre!

                                   

François Villon

Ballade von den Gehenkten

Ihr Menschenbrüder, die ihr nach uns lebt,

verhärtet euer Herz nicht gegen unsre Pein.

Denn wenn erbarmend ihr den Blick zu uns erhebt,

wird Gott euch desto eher gnädig sein.

Hier seht ihr uns gehenkt, zu sechst und siebt,

und unser Fleisch, zu wohlgenährt, zu sehr geliebt,

ist längst verfault, verwest und abgefallen schon.

Zu Staub und Asche modert unser dürr Gebein.

Drum spottet unser nicht, spart euern Hohn

und bittet Gott, er möge uns verzeihn.

 

Wenn wir euch Brüder heißen, zürnt uns bitte nicht.

Ihr seht im Wind uns baumeln hier am Hochgericht.

So wisset denn: es traf uns der verdiente Lohn.

Gedenkt, nicht jeder kann gesetzten Sinnes sein.

Legt Fürbitt ein für uns bei Gottes hehrem Sohn,

daß seine Huld und Gnade uns nicht sei verloren

und uns bewahre vor des Höllenpfuhles Pein.

Tot sind wir, und die Toten läßt man ungeschoren.

Doch bittet Gott, er möge uns verzeihn.

 

Übertragung: Walter Widmer


Klein Sterbelied

 

So still ich bin,

All Blut rinnt hin.

 

Wie weich umher.

Nichts weiß ich mehr.

 

Mein Herz noch klein;

Starb leis an Pein.

 

War blau und fromm!

O Himmel, komm.

 

Ein tiefer Schall -

Nacht überall.

 

Else Lasker-Schüler


 IN WEITE Ferne gehen Hügel: Menschenköpfe,

Mich wird man nicht mehr sehn, ich werd verschwindend klein-

Und doch, in Kinderspielen, Büchern, zärtlichen Geschöpfen

Werd ich einst auferstehend sagen, daß die Sonne scheint.

 

Ossip Mandelstam


 Wahrheit

(ca. 550 v. Chr.)

Nicht ob ich tot einst lieg auf ein königlich Lager gebettet,

Kümmert mich, sondern gewährt sei nur im Leben die Lust.

Sanfter auf Teppichen nicht als auf Stechkraut ruht der Gestorbne;

Wenig verschlägt es, ob hart oder ob weicher das Holz.

 

Theognis von Megara übertragen von Eduard Mörike

 (1951)


Der Tod wird kommen und deine Augen haben,

dieser Tod, der uns begleitet

von morgens bis abends, schlaflos,

dumpf, wie ein alter Gewissensbiß

oder ein törichtes Laster. Und deine Augen

werden ein leeres Wort sein,

ein verschwiegener Schrei, ein Schweigen.

So siehst du sie jeden Morgen,

wenn du dich über dich neigst, mit dir allein

im Spiegel. O teuere Hoffnung,

an jenem Tage werden auch wir es wissen,

daß du das Leben bist und das Nichts.

 

Für alle hat der Tod einen Blick.

Der Tod wird kommen und deine Augen haben.

Das wird sein wie das Ablegen eines Lasters,

wie wenn man ein totes Gesicht

wieder auftauchen sieht im Spiegel,

oder auf eine verschlossene Lippe horcht.

Wir werden stumm in den Strudel steigen.

 

Cesare Pavese

 


Sonnet XXX

 

When to the sessions of sweet silent thought

I summon up remembrance of things past,

I sigh the lack of many a thing I sought,

And with old woes new wail my dear time's waste:

Then can I drown an eye, unused to flow

For precious friends hid in death's dateless night,

And weep afresh love's long since cancell'd woe,

And moan the expense of many a vanish'd sight:

Then can I grieve at grievances foregone,

And heavily from woe to woe teIl o'er

The sad account of fore-bemoaned moan,

Which I new pay as if not paid before.

But if the while I think in thee, dear friend,

All losses are restored and sorrows end.

 

William Shakespeare

XXX. Sonett

Wenn ich in schweigender Gedanken Rat

Erinnrung des Vergangnen traulich lade,

Beseufzend was entflohn mir nie mehr naht,

Neu klagend alte Weh'n versunkner Lebenspfade:

Dann netz' ich wohl versiechte Augenlider

Um teure Freund' in Todesnacht gehüllt;

Es weinen, längst erstickt, der Liebe Schmerzen wieder,

Der Gram um manch dahingeschwunden Bild.

Dann kann ich leiden um vergangnes Leid,

Die trübe Summe vorbeklagter Klagen

Von Weh zu Weh ziehn mit Betrübsamkeit,

Sie zahlend wie noch niemals abgetragen.

Doch, teurer Freund! gedenk' ich dein dabei,

Ersetzt ist alles, und ich atme frei.

 


Lied (ca. 600 v. Christus)

 

Erstorben wirst du liegen

Und niemand wird dein denken,

Niemand zu allen Zeiten:

Denn nie hast du die Rosen

Pieriens berühret.

Unscheinbar wirst du müssen

In Todes Wohnung gehen,

Und niemand wird dich ansehn

Im Heer der dunkeln Schatten.

 

Sappho von Mytilene übertragen von Johann Gottfried Herder


Sur une morte

 

Elle était belle, si la Nuit

Qui dort dans la sombre chapelle

Où Michel-Ange a fait son lit,

Immobile, peut être belle.

 

Elle était bonne, s'il suffit

Qu'en passant la main s'ouvre et donne,

Sans que Dieu n'ait rien vu, rien dit,

Si l'or sans pitié fait l'aumône.

 

Elle pensait, si le vain bruit

D'une voix douce et cadencée,

Comme le ruisseau qui gémit.

Peut faire croire à la pensée.

 

Elle priait, si deux beaux yeux,

Tantôt s'attachant à la terre,

Tantôt se levant vers les cieux,

Peuvent s'appeler la priére.

 

Elle aurait souri, si la fleur

Qui ne s'est point épanouie

 

Alfred de Musset

Auf eine Todte

 

Ja, sie war schön, wenn man die Nacht

Schön nennen kann in der Kapelle,

Zu deren kalter Marmorpracht

Nie dringen kann des Tages Helle,

 

Ja, sie war gut, wenn es genügt,

Almosen im Vorübereilen,

Wie es der Zufall eben fügt,

Und ohne Mitleid auszutheilen.

 

Sie dachte, - wenn wir bei dem Schall,

Der einer weichen Stimm entquollen

Eintönig wie des Bächleins Fall,

Schon an Gedanken glauben sollen.

 

Sie betete, wenn Beten heißt:

Daß sich zwei schöne Augensterne

Bald niedersenken wie verwaist,

Bald heben zu der Himmelsferne.

 

Gelächelt hätte sie - wenn Duft

Aus Blumen, die sich nie erschlossen,

 

Nachdichtung: Otto Baisch


Abschied vom Grabe des Fang Guan

 

Einsam das Grab, an dem das Pferd gezügelt

in fremdem Land: denn wieder heißt es scheiden.

Von frischen Tränen bleibt kein Fleck verschont,

im niedern Himmel Wolkenfetzen treiben.

 

Der einst mit einem Xie An Schach gespielt,

bringt einem Xu Jun das begehrte Schwert:

allein er sieht des Haines Blüten fallen,

Pirole er zum Abschied zwitschern hört.

 

Du Fu


Im Alter

 

Wie wird nun alles so stille wieder!

So war mirs oft in der Kinderzeit,

Die Bäche gehen rauschend nieder

Durch die dämmende Einsamkeit,

Kaum noch hört man einen Hirten singen,

Aus allen Dörfern, Schluchten weit

Die Abendglocken herüberklingen,

Versunken nun mit Lust und Leid

Die Täler, die noch einmal blitzen,

Nur hinter dem stillen Walde weit

Noch Abendröte an den Bergesspitzen

Wie Morgenrot der Ewigkeit.

 

Joseph v. Eichendorff


Schließe mir die Augen beide

Mit den lieben Händen zu!

Geht doch alles, was ich leide,

Unter deiner Hand zur Ruh.

Und wie leise sich der Schmerz

Well um Welle schlafen leget,

Wie der letzte Schlag sich reget,

Füllest du mein ganzes Herz.

 

Theodor Storm


Mutterns Hände

 

un Kaffe jekocht

un de Töppe rübajeschohm -

un jewischt und jenäht

un jemacht und jedreht...

alles mit deine Hände.

 

Hast de Milch zujedeckt,

uns Bonbongs zujesteckt

un Zeitungen ausjetragn -

hast die Hemden jezählt

und Kartoffeln jeschält...

alles mit deine Hände.

 

Hast uns manches Mal

bei jroßen Schkandal

auch'n Katzenkopp jejeben.

Hast uns hochjebracht.

Wir wahn Stricker acht

sechse sind noch am Leben...

alles mit deine Hände.

 

Heiß warn se un kalt

Nu sind se alt

nu bist du bald am Ende.

Da stehn wa nu hier,

und denn komm wir bei dir

und streicheln deine Hände.

 

Kurt Tucholsky


Wie dunkel sind deine Schläfen

 

Letzte Wache

  - 

Und deine Hände so schwer,

Bist du schon weit von dannen

Und hörst mich nicht mehr?

 

Unter dem flackernden Lichte

Bist du so traurig und alt,

Und deine Lippen sind grausam

In ewiger Starre gekrallt.

 

Morgen schon ist hier das Schweigen,

Und vielleicht in der Luft

Noch das Rascheln der Kränze

Und ein verwesender Duft.

 

Aber die Nächte werden

Leerer nun, Jahr um Jahr,

Hier, wo dein Haupt lag und leise

Immer dein Atem war.

 

Georg Heym


Ich kann es nicht vergessen  XXXVII.

(Buch der Lieder)

 

Ich kann es nicht vergessen,

Geliebtes, holdes Weib,

Daß ich dich einst besessen,

Die Seele und den Leib.

 

Den Leib möcht ich noch haben,

Den Leib so zart und jung;

Die Seele könnt ihr begraben,

Hab‘ selber Seele genug.

 

Ich will meine Seele zerschneiden,

Und hauchen die Hälfte dir ein,

Und will dich umschlingen, wir müssen

Ganz Leib und Seele seyn.

 

Heinrich Heine


WIE KANN ich die Tote, die Frau nun noch loben?

Sie steht dort in Fremdheit, ist Macht ...

Ins Grab, in ein warmes, gewaltsam gezogen

Von seltener Liebe und Kraft.

 

Gerundete Brauen, beharrlich: zwei Schwalben -

Die flogen vom Sarg her zu mir:

Zu lang schon hätt man sie dort oben gehalten

Im kalten Stockholmer Quartier.

 

Die Geige der Väter: der Stolz deiner Sippe –

Ihr Hals gab sein Schönsein dir hin,

Du öffnetest lachend die zierlichen Lippen,

Italisches, russisches Kind.

 

Dein lastendes Bild will ich immer bewahren,

Du Bärenkind, Wildling, Mignon -

Doch Mühlen im Schnee werden Winter erfahren,

Vereist ist dein Horn, Postillion.

 

Ossip Mandelstam Übertragung: Ralph Dutli


In den Büchern sterben

 

Name, Vorname

Klammer auf

Das Geburtsjahr, Strich, das Todesjahr, aus

Klammer zu.

 

Nun ist er in den Büchern ein Name, ein Vorname

In Klammern sein Geburts- und Todesjahr.

 

Gegen Ende der Seite oder etwas weiter unten

Seine Werke, Erscheinungsjahre

Eine kurze, lange Liste.

Wie Vögel im Todeskampf die Buchtitel in euren Händen.

 

Der Strich zwischen den beiden Klammern

Er bedeutet alles

Seine Hoffnung, seine Angst, seine Tränen, seine Freude

Er bedeutet alles.

 

Nun ist er in den Büchern

Gefangen durch einen Strich;

Lebt er noch: er kann sich nicht wehren,

Sie können ihn töten.

 

Çet Necatigil  Übertragung: Yüksel Pazarka


Des Todes Boten

(ca. 750 n.. Chr.)

 

All die Gedankenlosen, die nicht sorgen,

Zu welcher Zeit des Todes Boten kommen,

Müssen in niederer Verkörperung

Lange die Qual der Leiden fühlen.

Die jedoch gut und heilig sind,

Betragen sich nicht gedankenlos,

Wenn des Todes Boten erscheinen,

Beachten, was die Hohe Lehre sagt,

und sehn, erschreckt, in der Verhaftung

Die ew'ge Quelle von Geburt und Tod,

Befrein sich selbst von diesem Hang

Und tilgen so Geburt und Tod.

Sicher und glücklich ruhen sie.

Entlassen aus der flutenden Schau,

Entbunden aller Sünd' und Furcht;

sie sind nun alles Elends bloß.  

 


Vergeblich

(ca. 500 v. Chr.)

 

Gering ist der Menschen Macht, erfolglos ihr Streben, in

Knappem Dasein Mühsal um Mühsal,

Und unentrinnbar hängt gleichmäßig über ihnen der Tod.

Denn davon erhalten ihr Teil ebenso die Guten

Wie wer schlecht ist.

Es gibt kein Unglück

Das nicht zu erwarten wäre bei Menschen, in kurzer Frist

Stößt Gott alles um.

Denn alles versinkt in dem einen grauenvollen Wirbelschlund,

Die großen Manneswerte und der Reichtum.

Denn auch sie vermochten es nicht, die früher einmal gewesen sind,

Halbgötter gezeugt von Herrengöttern,

Ein mühefreies, verfallfreies, gefahrfreies Leben

Zum Ziel des Greisentums zu bringen.

 

Simonides von Keos übertragen von Hermann Fränkel


Ode an die Wiedererstandenen

 

Die Nacht ist der Tod des Tages,

Die Berge sind der Tod der ältesten Vögel.

 

Jene Witwen, die sich still beklagend zum Gebet waschen,

Sind der Tod ihrer seligen Gatten.

 

Geliebt werdet ihr hellblau, jeden Sommer,

Die Ähre ist der Tod des Weizens.

Ihr begreift nicht wie, ihr seht nicht: auf der Sonne

Ist Dienstag der Tod von Montag.

 

Eisig kalte, eisig dunkle

Einsamkeit ist der Tod jener schönen Helle.

 

Leben, Leben, dreißig Jahre, fünfzig Jahre, achtzig Jahre

Sind deinetwegen der Tod der Liebe.

 

Fazil Hüsnü Daglarc Übertragung: Yüksel Pazarkaya


Was dann?

(ca. 1930)

 

Wo wird es bleiben,

Was mit dem letzten Hauch entweicht?

Wie Winde werden wir treiben -

Vielleicht!

 

Werden wir reinigend wehen?

Und kennen jedes Menschen Gesicht.

Und jeder darf durch uns gehen,

Erkennt aber uns nicht.

 

Wir werden drohen und mahnen

Als Sturm

,Und lenken die Wetterfahne

Auf jedem Turm.

 

Ach, sehen wir die dann wieder,

Die vor uns gestorben sind?

Wir, dann ungreifbarer Wind?

Richten wir auf und nieder

Die andern, die nach uns leben?

 

Wie weit wohl Gottes Gnade reicht.

Uns alles zu vergeben?

Vielleicht?  Vielleicht!

 

Joachim Ringelnatz


SONNET LXVI

 

Tired with all these, for restful death I cry,

As, to behold desert a beggar born,

And needy nothing trimm'd in jollity,

And purest faith unhappily forsworn,

And gilded honour shamefully misplaced,

And maiden virtue rudely strumpeted,

And right perfection wrongfully disgraced,

And strength by limping sway disabled,

And art made tongue-tied by authority,

And folly, doctor-like, controlling skill,

And simple truth miscall'd simplicity,

And captive good attending captain ill:

Tired with all these, from these would I be gone,

Save that, to die, I leave my love alone.

 

William Shakespeare

LXVI. SONETT

 

Müde von alle diesem wünsch' ich Tod:

Verdienst zum Bettler sehn geboren werden,

Und hohle Dürftigkeit in Grün und Rot,

Und wie sich reinste Treu entfärbt auf Erden,

Und goldnen Ehrenschmuck auf Knechteshaupt,

Und jungfräuliche Tugend frech geschändet,

Und Hoheit ihres Herrschertums beraubt,

Und Kraft an lahmes Regiment verschwendet,

Und Kunst im Zungenbande der Gewalt,

Und Schulenunsinn, der Vernunft entgeistert,

Und schlichte Wahrheit, die man Einfalt schalt,

Und wie vom Bösen Gutes wird gemeistert:

Müde von alle dem, wär Tod mir süß;

Nur, daß ich sterbend den Geliebten ließ!

 


Was sind wir Menschen doch

 

Menschliches Elende

Was sind wir Menschen doch! Ein Wohnhaus grimmer Schmerzen,

Ein Ball des falschen Glücks, ein Irrlicht dieser Zeit,

Ein Schauplatz herber Angst, besetzt mit scharfem Leid,

Ein bald verschmelzter Schnee und abgebrannte Kerzen.

Dies Leben fleucht davon wie ein Geschwätz und Scherzen.

Die vor uns abgelegt des schwachen Leibes Kleid

Und in das Totenbuch der großen Sterblichkeit

Längst eingeschrieben sind, sind uns aus Sinn und Herzen.

 

Gleich wie ein eitel Traum leicht aus der Acht hinfällt

 Und wie ein Strom verscheußt, den keine Macht aufhält,

So muß auch unser Nam, Lob, Ehr und Ruhm verschwinden.

 

Was itzund Atem holt, muß mit der Luft entfliehn,

Was nach uns kommen wird, wird uns ins Grab nachziehn.

Was sag ich? Wir vergehn wie Rauch vor starken Winden.

 

Andreas Gryphiu

 


Chanson d‘automne

 

Les sanglots longs

Des violons

De l'automne

Blessent mon coeur

D' une langueur

Monotone.

 

Tout suffocant

Et blême, quand

Sonne l‘ heure,

Je me souviens

Des jours anciens

Et je pleure;

 

Et je m'en vais

Au vent mauvais

Qui m' emporte

DeVà, delà,

Pareil à la

Feuille morte.

 

Paul Verlaine

Herbstlied

 

Seufzer gleiten

Die saiten

Des herbsts entlang

Treffen mein herz

Mit einem schmerz

Dumpf und bang.

 

Beim glockenschlag

Denk ich zag

und voll peinen

An die zeit

Die nun schon weit

Und muss weinen.

 

Im bösen winde

Geh ich und finde

Keine statt...

Treibe fort

Bald da bald dort –

Ein welkes blatt.

Übertragung: Stefan George


Kaleidoskop

wer Gott ahnet, ist hoch zu halten,

Denn er wird nie im Schlechten walten.

 

Der Mensch erfährt, er sei auch, wer er mag,

Ein letztes Glück und einen letzten Tag.

 

Nichts vom Vergänglichen,

Wie's auch geschah

Uns zu verewigen

Sind wir ja da.

 

Johann Wolfgang von Goethe


Inschrift auf einem nicht abgeholten Grabstein

(ca. 1927)

 

Wandrer, wenn du vorbeikommst

Wisse:

Ich war glücklich

Meine Unternehmungen waren fruchtbar

Meine Freunde treu

Meine Gedanken angenehm

Was ich tat, war besonnen

Am Ende habe ich nicht widerrufen

Wegen einer Kleinigkeit

Habe ich nie mein Urteil geändert.

 

Da ich noch nicht tot bin

Wage ich nichts zu sagen als:

 

Mein Leben war schwer, aber

Ich klage nicht

Auch habe ich etwas aufzuweisen

Was mein Leben rentiert hat

Sorge dich nicht um mich, ich selber

Verachte die Unglücklichen

Aber schon, als ich schrieb

Was du hier liest

Gab es nichts mehr, was mich noch treffen konnte.

 

 

Bertold Brecht


Lebenslauf

 

Größers wolltest auch du, aber die Liebe zwingt

All uns nieder, das Leid beuget gewaltiger,

Doch es kehret umsonst nicht

Unser Bogen, woher er kommt.

 

Aufwärts oder hinab! Herrschet in heilger Nacht,

Wo die stumme Natur werdende Tage sinnt,

Herrscht im schiefesten Orkus

Nicht ein Grades, ein Recht noch auch?

 

Dies erfuhr ich. Denn nie, sterblichen Meistern gleich,

Habt ihr Himmlischen, ihr Alleserhaltenden,

Daß ich wüßte, mit Vorsicht

Mich des ebenen Pfads geführt.

 

Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern

Und verstehe die Freiheit

Aufzubrechen, wohin er will.

 

Friedrich Hölderlin


Sonnet XI

As fast as thou shalt wane, so fast thou grow'st

In one of thine, from that which thou departest;

And that fresh blood which youngly thou bestow'st

Thou mayst call thine when thou from youth convertest.

Herein lives wisdom, beauty and increase;

Without this, folly, age and cold decay:

If all were minded so, the times should cease

And threescore year would make the world away.

Let those whom Nature hath not made for store,

Harsh, featureless and rude, barrenly perish:

Look, whom she best endow'd she gave the more;

Which bounteous gift thou shouldst in bounty cherish:

She carved thee for her seal, and meant thereby

Thou shouldst print more, not let that copy die.

 

William Shakespeare

 

XI. SONETTE

 

So schnell du abblühst, sprossest du heran

Aus dem, was dir entging, in deinen Zweigen,

Und was du jugendlich an Blut vertan,

Das nennst du, wenn die Jugend schwand, dein eigen.

Hierin lebt Weisheit, Schönheit, Nachwuchs fort;

Sonst, Torheit, Alter, eisiges Gerinnen.

Dächt' alles so, die Zeit wär längst verdorrt,

In sechzig Jahren diese Welt von hinnen.

Laß sterben unfruchtbar, die anmutleer,

Rauh von Natur und wüst nicht zur Vermehrung taugen;

Sieh ihre Bestbegabten; dir ward mehr;

So reiche Gabe sollst du reichlich brauchen!

Natur schnitt ihren Stempel dich, und sprach:

Laß ihn nicht untergehen, präg' ihn nach.Nachdichtung:

 


Ich war einmal ein Kind. Genau wie ihr.

Ich war ein Mann. Und jetzt bin ich ein Greis.

Die Zeit verging. Ich bin noch immer hier

Und möchte gern vergessen, was ich weiß.

Ich war ein Kind. Ein Mann. Nun bin ich mürbe.

Wer lange lebt, hat eines Tags genug.

Ich hätte nichts dagegen, wenn ich stürbe.

Ich bin so müde. Andre nennen's klug.

 

Ach, ich sah manches Stück im Welttheater.

Ich war einmal ein Kind, wie ihr es seid.

Ich war einmal ein Mann. Ein Freund. Ein Vater.

Und meistens war es schade um die Zeit...

Ich könnte euch verschiedenes erzählen,

Was nicht in euren Lesebüchern steht.

Geschichten, welche im Geschichtsbuch fehlen,

Sind immer die, um die sich alles dreht.

Wir hatten Krieg. Wir sahen, wie er war.

Wir litten Not und sah'n, wie sie entstand.

Die großen Lügen wurden offenbar.

Ich hab' ein paar der Lügner gut gekannt.

Ja, ich sah manches Stück im Welttheater.

Ums Eintrittsgeld tut's mir noch heute leid.

Ich war ein Kind. Ein Mann. Ein Freund. Ein Vater.

Und meistens war es schade um die Zeit...

 

Wir hofften. Doch die Hoffnung war vermessen.

Und die Vernunft blieb wie ein Stern entfernt.

Die nach uns kamen, hatten schnell vergessen.

Die nach uns kamen, hatten nichts gelernt.

Sie hatten Krieg. Sie sahen, wie er war.

Sie litten Not und sah'n, wie sie entstand.

Die großen Lügen wurden offenbar.

Die großen Lügen werden nie erkannt.

Und nun kommt ihr. Ich kann euch nichts vererben:

Macht, was ihr wollt. Doch merkt euch dieses Wort:

Vernunft muß sich ein jeder selbst erwerben,

Und nur die Dummheit pflanzt sich gratis fort.

Die Welt besteht aus Neid. Und Streit. Und Leid.

Und meistens ist es schade um die Zeit.

 

Erich Kästner


Ausgang

 

Immer enger, leise, leise

Ziehen sich die Lebenskreise,

Schwindet hin, was prahlt und prunkt,

Schwindet Hoffen, Hassen, Lieben,

Und ist nichts in Sicht geblieben

Als der letzte dunkle Punkt.

 

Theodor Fontane


Kleiner Ring

Was unterscheidet

Götter von Menschen?

Daß viele Wellen

Vor jenen wandeln,

Ein ewiger Strom:

Uns hebt die Welle,

Verschlingt die Welle,

Und wir versinken.

 

Ein kleiner Ring

Begrenzt unser Leben,

Und viele Geschlechter

Reihen sich dauernd

An ihres Daseins

Unendliche Kette.

 

Johann Wolfgang Goethe


An sich selbst

 

Mir grauet vor mir selbst; mir zittern alle Glieder,

Wenn ich die Lipp und Nas und beider Augen Kluft,

Die blind vom Wachen sind, des Atems schwere Luft

Betracht und die nun schon erstorbnen Augen-Lider.

 

Die Zunge, schwarz vom Brand, fällt mit den Worten nieder

Und lallt ich weiß nicht was; die müde Seele ruft

Dem großen Tröster zu; das Fleisch ruft nach der Gruft;

Die Ärzte lassen mich; die Schmerzen kommen wieder.

 

Mein Körper ist nicht mehr als Adern, Fell und Bein.

Das Sitzen ist mein Tod, das Liegen meine Pein.

Die Schenkel haben selbst nun Träger wohl vonnöten.

 

Was ist der hohe Ruhm, und Jugend, Ehr und Kunst?

Wenn diese Stunde kommt, wird alles Rauch und Dunst,

Und eine Not muß uns mit allem Vorsatz töten.

 

Andreas Gryphius


Versöhnung

 

Es ließe sich alles versöhnen,

Wenn keine Rechenkunst es will.

In einer schönen,

Ganz neuen und scheuen

Stunde spricht ein Bereuen

So mutig still.

 

Es kann ein ergreifend Gedicht

Werden, das kurze Leben,

Wenn ein Vergehen

Aus Frömmigkeit schlicht

Sein Innerstes spricht.

 

Zwei Liebende auseinandergerissen:

Gut wollen und einfach sein!

Wenn beide das wissen,

Kann ihr Dach wieder sein Dach sein

Und sein Kissen ihr Kissen.

 

Joachim Ringelnatz


Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,

Ein Birnbaum in seinem Garten stand,

Und kam die goldene Herbsteszeit

Und die Birnen leuchteten weit und breit,

Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,

Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,

Und kam in Pantinen ein Junge daher,

So rief er: ,,Junge, wiste ne Beer?"

Und kam ein Mädel, so rief er: "Lütt Dirn,

Kumm man röwer, ick hebb ne Birn."

 

So ging es viel Jahre, bis lobesam

Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.

Er fühlte sein Ende, 's war Herbsteszeit,

Wieder lachten die Birnen weit und breit;

Da sagte von Ribbeck: ,,Ich scheide nun ab.

Legt mir eine Birne mit ins Grab!”

Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,

Trugen von Ribbeck sie hinaus.

Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht

Saugen ,,Jesus meine Zuversicht!"

Und die Kinder klagten, das Herze schwer:

,,He is dod nu. Wer giwt uns nu ne Beer?"

 

So klagten die Kinder. Das war nicht recht -

Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht!

Der neue freilich, der knausert und spart,

Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.

Aber der alte, vorahnend schon

Und voll Mißtrauen gegen den eigenen Sohn,

Der wußte genau, was damals er tat,

Als um eine Birn ins Grab er bat;

Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus

Ein Birnbaumsprößling sprößt' heraus.

 

Und die Jahre gehen wohl auf und ab,

Langst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,

Und in der goldenen Herbsteszeit

Leuchtet's wieder weit und breit,

Und kommt ein Jung übern Kirchhof her,

So flüstert's im Baume: ,,Wiste ne Beer?''

Und kommt ein Mädel, so flüstert's: ,,Lütt Dirn,

Kumm man röwer, ick gew di ne Birn!''

 

So spendet Segen noch immer die Hand

Des von Ribbeck auf Ribbeck in' Havelland.

 

Theodor Fontane


Antres, & vous fontaines

 

De l'élection de son sepulchre

Antres, & vous fontaines

De ces roches hautaines

Qui tombez contre-bas

D'vn glissant pas:

 

Et vous forests & ondes

Par ces prez vagabondes,

Et vous riues & bois

Oyez ma vois.

 

Quand le ciel & mon heure

Iugeront que ie meure,

Rauy du beau seiour

Du commun iour,

 

Je defens qu'on ne rompe

Le marbre pour la pompe

De vouloir mon tombeau

Bastir plus beau:

 

Mais bien ie veux qu'vn arbre

M'ombrage en lieu d'vn marbre,

Arbre qui soit couuert

Tousiours de vert.

 

Pierre de Ronsard

wie ich mir mein Grab wünsche

 

Ihr Grotten, Quellen ihr,

Die aus dem Felsrevier

Hinstürzet unverwandt,

Ein gleitend Band,

 

Ihr Wälder, Bachgerinn

Durch grüne Wiesen hin,

Ihr Ufer, Haine dort,

Vernehmt mein Wort.

 

Will es die Schicksalsstund,

Daß ich nun geh zugrund,

Und wird genommen mir

Was schön war hier,

 

Soll nimmermehr es sein,

Daß man aus Marmorstein

Voll übertriebner Pracht

Ein Grab nur macht.

 

Ein Baum soll mich allein

Beschatten statt dem Stein,

Mit seiner Blätter Kleid,

Grün alle Zeit.

 

Übertragung: Max Rieple


Der Mensch

 

Empfangen und genähret

Vom Weibe wunderbar,

Kömmt er und sieht und höret

Und nimmt des Trugs nicht wahr;

 

Gelüstet und begehret

Und bringt sein Tränlein dar;

Verachtet und verehret,

Hat Freude und Gefahr;

Glaubt, zweifelt, wähnt und lehret,

Hält nichts und alles wahr;

Erbauet und zerstöret

Und quält sich immerdar;

Schläft, wachet, wäscht und zehret;

Trägt braun und graues Haar.

Und alles dieses währet,

Wenns hoch kommt achtzig Jahr.

Denn legt er sich zu seinen Vätern nieder,

Und er kömmt nimmer wieder.

 

Matthias Claudius


Hälfte des Lebens

 

Mit gelben Birnen hänget

Und voll mit wilden Rosen

Das Land in den See,

Ihr holden Schwäne,

Und trunken von Küssen

Tunkt ihr das Haupt

Ins heilignüchterne Wasser.

 

Weh mir, wo nehm ich, wenn

Es Winter ist, die Blumen, und wo

Den Sonnenschein

Und Schatten der Erde?

Die Mauern stehn

Sprachlos und kalt, im Winde

Klirren die Fahnen.

 

Friedrich Hölderlin


Le cimetière marin

Ce toit tranquille, où marchent des colombes,
Entre les pins palpite, entre les tombes;
Midi le juste y compose de feux
La mer, la mer, toujours recommencée
O récompense après une pensée
Qu'un long regard sur le calme des dieux!

Quel pur travail de fins éclairs consume
Maint diamant d'imperceptible écume,
Et quelle paix semble se concevoir!
Quand sur l'abîme un soleil se repose,
Ouvrages purs d'une éternelle cause,
Le temps scintille et le songe est savoir.

Stable trésor, temple simple à Minerve,
Masse de calme, et visible réserve,
Eau sourcilleuse, Oeil qui gardes en toi
Tant de sommeil sous une voile de flamme,
O mon silence! . . . Édifice dans l'âme,
Mais comble d'or aux mille tuiles, Toit!

Temple du Temps, qu'un seul soupir résume,
À ce point pur je monte et m'accoutume,
Tout entouré de mon regard marin;
Et comme aux dieux mon offrande suprême,
La scintillation sereine sème
Sur l'altitude un dédain souverain.

Comme le fruit se fond en jouissance,
Comme en délice il change son absence
Dans une bouche où sa forme se meurt,
Je hume ici ma future fumée,
Et le ciel chante à l'âme consumée
Le changement des rives en rumeur.

Beau ciel, vrai ciel, regarde-moi qui change!
Après tant d'orgueil, après tant d'étrange
Oisiveté, mais pleine de pouvoir,
Je m'abandonne à ce brillant espace,
Sur les maisons des morts mon ombre passe
Qui m'apprivoise à son frêle mouvoir.

L'âme exposée aux torches du solstice,
Je te soutiens, admirable justice
De la lumière aux armes sans pitié!
Je te tends pure à ta place première,
Regarde-toi! . . . Mais rendre la lumière
Suppose d'ombre une morne moitié.

O pour moi seul, à moi seul, en moi-même,
Auprès d'un coeur, aux sources du poème,
Entre le vide et l'événement pur,
J'attends l'écho de ma grandeur interne,
Amère, sombre, et sonore citerne,
Sonnant dans l'âme un creux toujours futur!

Sais-tu, fausse captive des feuillages,
Golfe mangeur de ces maigres grillages,
Sur mes yeux clos, secrets éblouissants,
Quel corps me traîne à sa fin paresseuse,
Quel front l'attire à cette terre osseuse?
Une étincelle y pense à mes absents.

Fermé, sacré, plein d'un feu sans matière,
Fragment terrestre offert à la lumière,
Ce lieu me plaît, dominé de flambeaux,
Composé d'or, de pierre et d'arbres sombres,
Où tant de marbre est tremblant sur tant d'ombres;
La mer fidèle y dort sur mes tombeaux!

Chienne splendide, écarte l'idolâtre!
Quand solitaire au sourire de pâtre,
Je pais longtemps, moutons mystérieux,
Le blanc troupeau de mes tranquilles tombes,
Éloignes-en les prudentes colombes,
Les songes vains, les anges curieux!

Ici venu, l'avenir est paresse.
L'insecte net gratte la sécheresse;
Tout est brûlé, défait, reçu dans l'air
A je ne sais quelle sévère essence . . .
La vie est vaste, étant ivre d'absence,
Et l'amertume est douce, et l'esprit clair.

Les morts cachés sont bien dans cette terre
Qui les réchauffe et sèche leur mystère.
Midi là-haut, Midi sans mouvement
En soi se pense et convient à soi-même
Tête complète et parfait diadème,
Je suis en toi le secret changement.

Tu n'as que moi pour contenir tes craintes!
Mes repentirs, mes doutes, mes contraintes
Sont le défaut de ton grand diamant! . . .
Mais dans leur nuit toute lourde de marbres,
Un peuple vague aux racines des arbres
A pris déjà ton parti lentement.

Ils ont fondu dans une absence épaisse,
L'argile rouge a bu la blanche espèce,
Le don de vivre a passé dans les fleurs!
Où sont des morts les phrases familières,
L'art personnel, les âmes singulières?
La larve file où se formaient les pleurs.

Les cris aigus des filles chatouillées,
Les yeux, les dents, les paupières mouillées,
Le sein charmant qui joue avec le feu,
Le sang qui brille aux lèvres qui se rendent,
Les derniers dons, les doigts qui les défendent,
Tout va sous terre et rentre dans le jeu!

Et vous, grande âme, espérez-vous un songe
Qui n'aura plus ces couleurs de mensonge
Qu'aux yeux de chair l'onde et l'or font ici?
Chanterez-vous quand serez vaporeuse?
Allez! Tout fuit! Ma présence est poreuse,
La sainte impatience meurt aussi!

Maigre immortalité noire et dorée,
Consolatrice affreusement laurée,
Qui de la mort fais un sein maternel,
Le beau mensonge et la pieuse ruse!
Qui ne connaît, et qui ne les refuse,
Ce crâne vide et ce rire éternel!

Pères profonds, têtes inhabitées,
Qui sous le poids de tant de pelletées,
Êtes la terre et confondez nos pas,
Le vrai rongeur, le ver irréfutable
N'est point pour vous qui dormez sous la table,
Il vit de vie, il ne me quitte pas!

Amour, peut-être, ou de moi-même haine?
Sa dent secrète est de moi si prochaine
Que tous les noms lui peuvent convenir!
Qu'importe! Il voit, il veut, il songe, il touche!
Ma chair lui plaît, et jusque sur ma couche,
À ce vivant je vis d'appartenir!

Zénon! Cruel Zénon! Zénon d'Êlée!
M'as-tu percé de cette flèche ailée
Qui vibre, vole, et qui ne vole pas!
Le son m'enfante et la flèche me tue!
Ah! le soleil . . . Quelle ombre de tortue
Pour l'âme, Achille immobile à grands pas!

Non, non! . . . Debout! Dans l'ère successive!
Brisez, mon corps, cette forme pensive!
Buvez, mon sein, la naissance du vent!
Une fraîcheur, de la mer exhalée,
Me rend mon âme . . . O puissance salée!
Courons à l'onde en rejaillir vivant.

Oui! grande mer de délires douée,
Peau de panthère et chlamyde trouée,
De mille et mille idoles du soleil,
Hydre absolue, ivre de ta chair bleue,
Qui te remords l'étincelante queue
Dans un tumulte au silence pareil

Le vent se lève! . . . il faut tenter de vivre!
L'air immense ouvre et referme mon livre,
La vague en poudre ose jaillir des rocs!
Envolez-vous, pages tout éblouies!
Rompez, vagues! Rompez d'eaux réjouies
Ce toit tranquille où picoraient des focs!

Paul Valéry


Anne

Anne qui se mélange au drap pale et délaisse
Des cheveux endormis sur ses yeux mal ouverts
Mire ses bras lointains tournés avec mollesse
Sur la peau sans couleur du ventre découvert.

Elle vide, elle enfle d'ombre sa gorge lente,
Et comme un souvenir pressant ses propres chairs,
Une bouche brisée et pleine d'eau brûlante
Roule le goût immense et le reflet des mers.

Enfin désemparée et libre d'être fraîche,
La dormeuse déserte aux touffes de couleur
Flotte sur son lit blême, et d'une lèvre sèche,
Tête dans la ténebre un souffle amer de fleur.

Et sur le linge où l'aube insensible se plisse,
Tombe, d'un bras de glace effleuré de carmin,
Toute une main défaite et perdant le délice
A travers ses doigts nus dénoués de l'humain.

Au hasard! A jamais, dans le sommeil sans hommes
Pur des tristes éclairs de leurs embrassements,
Elle laisse rouler les grappes et les pommes
Puissantes, qui pendaient aux treilles d'ossements,

Qui riaient, dans leur ambre appelant les vendanges,
Et dont le nombre d'or de riches mouvements
Invoquait la vigueur et les gestes étranges
Que pour tuer l'amour inventent les amants...

Paul Valéry


Les pas

Tes pas, enfants de mon silence,
Saintement, lentement placés,
Vers le lit de ma vigilance
Procèdent muets et glacés.

Personne pure, ombre divine,
Qu'ils sont doux, tes pas retenus !
Dieux !... tous les dons que je devine
Viennent à moi sur ces pieds nus !
Si, de tes lèvres avancées,
Tu prépares pour l'apaiser,
A l'habitant de mes pensées
La nourriture d'un baiser,
Ne hâte pas cet acte tendre,
Douceur d'être et de n'être pas,
Car j'ai vécu de vous attendre,
Et mon coeur n'était que vos pas.

Paul Valéry


La fileuse

Assise, la fileuse au bleu de la croisée
Où le jardin mélodieux se dodeline;
Le rouet ancien qui ronfle l'a grisée.

Lasse, ayant bu l'azur, de filer la câline
Chevelure, à ses doigts si faibles évasives,
Elle songe, et sa tête petite s'incline.

Un arbuste et l'air pur font une source vive
Qui, suspendue au jour, délicieuse arrose
De ses pertes de fleurs le jardin de l'oisive.

Une tige, où le vent vagabond se repose,
Courbe le salut vain de sa grâce étoilée,
Dédiant magnifique, au vieux rouet, sa rose.

Mais la dormeuse file une laine isolée;
Mystérieusement l'ombre frêle se tresse
Au fil de ses doigts longs et qui dorment, filée.

Le songe se dévide avec une paresse
Angélique, et sans cesse, au doux fuseau crédule,
La chevelure ondule au gré de la caresse...

Derrière tant de fleurs, l'azur se dissimule,
Fileuse de feuillage et de lumière ceinte :
Tout le ciel vert se meurt. Le dernier arbre brûle.

Ta soeur, la grande rose où sourit une sainte,
Parfume ton front vague au vent de son haleine
Innocente, et tu crois languir... Tu es éteinte

Au bleu de la croisée où tu filais la laine.

Paul Valéry


                 

 

      de Rijn - collage 30 x 40 cm

    voor meer en ander werk zie http://landscape.mystiek.net

canandanann - 20-02-2006 18:04:26